Kurse zu verschiedenen Entspannungstechniken (Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Achtsamkeitstraining, Yoga…) sind derzeit sehr populär und bei zahlreichen Anbietern zu buchen. Dass die genannten Entspannungsmethoden nicht nur subjektiv helfen, sondern auch objektiv messbare Veränderungen nach sich ziehen, zeigen zahlreiche Studien.
Viele Krankenkassen zahlen den Besuch der Kurse zumindest zum Teil. Wenn diese Techniken für Sie funktionieren: wundervoll! Vielleicht gehören Sie aber auch zu den Menschen, die der Gedanke an weitere Verpflichtungen die Haare zu Berge stehen lässt. In diesem Fall wäre der Besuch eines Kurses möglicher weise sogar kontraproduktiv: Das Stress-Management wird selbst zum Stress. Was Ihnen fehlt, ist nicht unbedingt Entspannung, sondern ein gelassener(er) Umgang mit den Anforderungen des Alltags. Für Sie sind möglicherweise andere Ansätze interessant:
Achtsamkeitstraining: Im Achtsamkeitstraining geht es darum, den jeweiligen Moment aufmerksam, aber nicht wertend wahrzunehmen, statt sich in Sorgen und Gedanken zu flüchten. Gesicherte Erkenntnisse, dass ein strukturiertes Achtsamkeitstraining die Gesundheit positiv beeinflusst, liegen mittlerweile für das sogenannte Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) vor. Auch hier handelt es sich aber um einen strukturierten Kurs, der mit festen Terminen einhergeht. Elemente der Achtsamkeit können Sie aber auch ganz einfach in Ihren Alltag einbauen. Im Internet finden Sie eine Fülle von geführten Achtsamkeitsmeditationen. Oder Sie nutzen einfach das, was Ihnen sowieso zur Verfügung steht: Ihren Atem!
Die bewusste Bauchatmung ist ein einfacher und wirkungsvoller Weg zur inneren Zentrierung. Wie bereits beschrieben, verändert Stress das Atemverhalten – eine flache und kurze Atmung ist typisch. Besonders bei gestressten Personen kann daher eine Änderung der Atemtechnik einen großen Effekt haben. Die Tiefenatmung in den Bauch hinein ist die gesündeste Art der Atmung. Sie verbraucht weniger Energie als die Brustatmung, senkt den Blutdruck und fördert die Entspannung. Außerdem erfolgt eine drastische Verbesserung der Sauerstoffaufnahme, da das Lungenvolumen um das Zwei- bis Dreifache ansteigt und kleinste Bereiche der Lunge optimal belüftet werden. Sauerstoff ist unser bei weitem wichtigster Energielieferant. Mit seiner Hilfe wird die Energie aus den Mahlzeiten verbrannt. Ohne eine gesunde Versorgung mit Sauerstoff und das Ausatmen von Säuren (Kohlendioxid) erlahmt der Stoffwechsel und es kommt zu einer Übersäuerung. Das Einatmen ist also die wichtigste Energieversorgung, das Ausatmen die wichtigste Entsäuerungsmaßnahme. Aber auch die inneren Organe profitieren von einer tiefen Bauchatmung: Sie werden massiert und die Verdauung so gefördert.
Fünfminütige Atemübung: Führen Sie einmal am Nachmittag, wenn Sie müde werden, und vor dem Einschlafen eine einfache Atemübung durch: Legen Sie die Hände auf den Bauch, konzentrieren Sie sich auf Ihren Nabel und atmen Sie bewusst und langsam tief in den Bauch hinein und wieder aus. Der Bauch muss deutlich heraustreten und sich gegen die Hände drücken. Sie werden erstaunt sein, wie viel besser Sie einschlafen, wie sich Körper und Geist durch die Bauchatmung viel wohler und entspannter anfühlen und wie Sie entspannt neue Energie tanken!
Selbstmitgefühl: Der Ansatz des Selbstmitgefühls („Self Compassion“), entwickelt von Dr. Kristin Neff, stellt neben die Achtsamkeit noch zwei weitere Aspekte: einen mitfühlenden statt wertenden Umgang mit uns selbst und die Wahrnehmung der Tatsache, dass wir nicht alleine sind, sondern unser Leiden mit anderen Menschen teilen.
Einen mitfühlenden Umgang mit sich selbst können Sie durch verschiedene Übungen trainieren. Wenn Sie sich sorgen, fragen Sie sich: Was würde Ihnen jetzt ein guter Freund sagen? Gewiss nichts wie: „Dich mag sowieso keiner!“ Reden Sie so mit sich selbst, wie sie auch mit einem guten Freund reden würden. Eine andere Möglichkeit ist es, in einem Tagebuch schwierige Situationen des Tages Revue passieren zu lassen und dabei Worte des Trostes für sich selbst zu finden.
Dankbarkeit: Menschen, die sich dankbar für das zeigen, was sie haben, können besser mit Stress umgehen. Nachgewiesen sind unter anderem Wirkungen auf die Cortisol- und Testosteronspiegel. So können Sie Dankbarkeit ausdrücken:
- Schreiben Sie jemandem eine Karte, um sich für ein Geschenk zu bedanken, oder hinterlassen Sie Ihrem Partner eine Klebenotiz am Badezimmerspiegel.
- Lächeln Sie und umarmen Sie sich – und andere.
- Sagen Sie „Bitte“ und „Danke“ und meinen Sie es auch. Nehmen Sie Augenkontakt auf, statt nur ein „Danke“ zu murmeln, wenn Ihnen jemand die Tür aufhält.
- Wenn Sie religiös sind, sind Gebete eine wunderbare Möglichkeit, sich dankbar zu zeigen.
Achten Sie außerdem einmal darauf, wie viele der von Ihnen wahrgenommenen Stressoren tatsächlich existieren und welche nur Ihren Gedanken entspringen! Manche Menschen sind wahre Meister darin, sich stressige Situation, wie z. B. einen Konflikt mit einem unangenehmen Kollegen, so lebhaft auszumalen, dass sie die Auswirkungen körperlich spüren können. Andere können sich in Sorgenspiralen verfangen, bei denen das dauernde Nachdenken über ein Problem mindestens so viel Stress auslöst wie das Problem selbst. Wer sich dieser Mechanismen bewusst wird, hat oft schon den ersten Schritt hin zur Stressreduktion getan.
In dieselbe Richtung geht der Gedanke, dass Ärger, Stress und Unzufriedenheit dann entstehen, wenn Sie eine genaue Vorstellung haben, wie eine Person oder ein Arbeitsergebnis (oder Sie selbst!) zu sein hat, sich diese Vorstellung aber von der Realität unterscheidet. Eine gelassenere, offenere Haltung und ein liebevollerer Umgang mit sich selbst können hier Wunder bewirken. Dabei geht es nicht darum, keine Ziele mehr zu haben, sondern lediglich darum, auch ein Scheitern oder Abweichen von der Zielvorstellung gelassen hinzunehmen. Insofern unterscheidet sich Gelassenheit deutlich von Entspannung.