Stress, Entzündung und Übersäuerung

ährend Cortisol grundsätzlich entzündungshemmend wirkt, können bei einer durch Dauerstress verursachten Cortisolresistenz Entzündungsprozesse trotz dauerhaft hoher Cortisolspiegel nicht mehr ausreichend gestoppt werden. Damit sind nicht unbedingt „klassische“ Entzündungen gemeint, die sich z.B. nach einer Verletzung entwickeln. Es geht vielmehr um eine Art entzündlichen Grundzustand im gesamten Körper, der zunächst nicht zu spüren ist, aber die Entstehung von Gefäß- und Herzkrankheiten, Übergewicht, Demenz und Diabetes bis hin zu Krebs fördert. Alle diese Erkrankungen können verstanden werden als eine geringgradige chronische Entzündung im Körper, die sich über Immunparameter wie die pro-entzündlichen Cytokine TNF-alpha, Interleukin 1 und Interleukin 6 messen lässt. Diese Cytokine aktivieren wiederum die Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenrindenachse und die HSD-Aktivität im Fettgewebe, was zu einer weiteren Cortisolausschüttung führt. Hohe Cortisolspiegel führen darüber hinaus zu einem verstärkten Appetit und damit zu einer Gewichtszunahme. Fettzellen wiederum produzieren verstärkt Entzündungsstoffe. Durch die Gewichtszunahme unter Dauerstress wird dieser Effekt zusätzlich verstärkt. Wieder einmal ist ein Teufelskreis entstanden, in dem diesmal das Bauchfettgewebe eine besondere Rolle spielt, da es metabolisch und inflammatorisch besonders aktiv ist.

Was die Übersäuerung des Körpers angeht, hat Cortisol eigentlich die Aufgabe, den Körper vor den ungünstigen Folgen einer langanhaltenden Adrenalinausschüttung zu schützen. Adrenalin löst über seine katabole Wirkung, bei der körpereigene Proteine abgebaut werden, eine Übersäuerung des Körpers aus. Cortisol löscht als „Feuerwehr“ die übersäuernde Stressreaktion des „Feuers“ Adrenalin: Es wirkt ähnlich wie Aldosteron. Dadurch bewirkt es, dass Natrium (und Salz) und Wasser in den Nieren rückresorbiert werden, während die überschüssigen Säuren in Form von Protonen zusammen mit Kalium ausgeschieden werden.

Auch die übersäuernde Wirkung von Dauerstress wird auf diese Weise durch das Cortisol ausgeglichen. Bei Dauerstress verflacht die Atmung, weshalb saure Stoffwechselprodukte nicht mehr ausreichend abgeatmet werden können. Durch die schlechte Sauerstoffversorgung des Körpers produziert dieser vermehrt Milchsäure. Dauerstress bewirkt auf diese Weise eine chronische Übersäuerung, die durch die „Feuerwehr“ Cortisol kompensiert wird (Ausscheidung von Protonen und Rückresorption von Salz in den Nieren).

Die langfristigen Folgen dieser „Löschaktion“ sind jedoch nicht sehr angenehm und schaden zudem der Gesundheit: Da die überschüssigen Säuren zusammen mit Kalium aus dem Körper transportiert werden, kommt es auf Dauer zu einem Mangel an Mineralstoffen. Durch die übermäßige Rückresorption von Wasser und Salz in den Nieren fühlen wir uns zunehmend aufgeschwemmt und es kann zu Ödemen kommen. Vor allem steigt auch der Blutdruck, was meist kein Krankheitsgefühl auslöst. Dabei wird vergessen, dass weltweit erhöhter Blutdruck– sogar noch vor dem Rauchen – inzwischen die Hauptursache für eine Invalidisierung oder einen frühzeitigen Tod ist. Langfristig können die Knochen in Mitleidenschaft gezogen werden, da das dringend benötigte Calcium aus ihnen mobilisiert wird.