Die bisher beschriebenen, aus Stress resultierenden Symptome und Krankheiten können grundsätzlich sowohl bei Frauen als auch bei Männern auftreten. Bestimmte Symptome werden aber besonders häufig bei einem der beiden Geschlechter beobachtet.
Da die Nebennieren bei Frauen in der Regel nicht so aktiv sind wie bei Männern, machen sie bei dauergestressten Frauen etwas früher schlapp als bei Männern. Durch das fehlende Cortisol, das antientzündlich wirkt, leiden dauergestresste Frauen deshalb häufiger an Autoimmunerkrankungen (z. B. Schilddrüsenunterfunktion, Fibromyalgie, Rheuma) und psychischen Symptomen (z. B. Depressionen und Angststörungen) als Männer. Autoimmunerkrankungen beginnen dabei häufig mit Darmproblemen wie dem Leaky-Gut-Syndrom.
Männer hingegen ähneln mit zunehmendem Stresslevel Personen, die unter dem sogenannten Cushing-Syndrom leiden – allerdings in einer deutlich milderen Ausprägung. Es gibt aber deutliche Parallelen, da auch beim Cushing-Syndrom die Cortisolspiegel im Blut dauerhaft erhöht sind, in diesem Fall allerdings nicht stress-, sondern krankheitsbedingt. Typische Anzeichen für ein vorliegendes Cushing-Syndrom sind z. B. Fettansammlungen am Bauch sowie Wasseransammlungen im Gewebe (u.a. Vollmondgesicht). Aber auch Bluthochdruck und Diabetes mellitus treten oft auf. Männer leiden de facto deutlich häufiger an Bluthochdruck. Das Bauchfettgewebe ruft zudem eine ständige Entzündungsreaktion hervor, die wie ein Schwelbrand den Körper schwächt.
Darüber hinaus erkranken Männer häufiger als Frauen am Metabolischen Syndrom. Unter diesem Begriff wird das Auftreten von abdomineller Fettleibigkeit (Bauchfett – erkennbar an der sogenannten „Apfelform“), Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen (Triglyzeride und LDL-Cholesterin zu hoch, HDL-Cholesterin zu niedrig) und einer Insulinresistenz bzw. eines Typ-2-Diabetes verstanden. Auch hier kann Dauerstress zusammen mit kaloriendichten Lebensmitteln die Ursache sein.
Auch bei den direkt sichtbaren Stresssymptomen unterscheiden sich Männer und Frauen. Während Stress bei Frauen oft einen Heißhunger auf Süßes auslöst, stehen Männer auf Deftiges und Bier. Insbesondere Letzteres führt (auch in der alkoholfreien Variante) zu einer schnellen Insulinausschüttung, dann zu einer Unterzuckerung und damit wiederum zu Heißhunger.
Bei beiden Geschlechtern reduziert Stress übrigens über die Beeinflussung der Sexualhormone die Libido. Die Lust auf Sex verschwindet. Bei Männern kann es darüber hinaus zu Erektionsstörungen, bei Frauen zu Zyklusstörungen kommen.
Nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen Personen unterschiedlichen Alters unterscheiden sich die Reaktionen auf Stress. Zwar ist die Antwort des Körpers auf Stress im Sinne der Hormonausschüttung bei jungen und alten Menschen gleich, aber wer jünger ist, erholt sich besser von Stress. In einer finnischen Studie sanken die ursprünglich gleich hohen Cortisolspiegel bei Lehrern nach der Arbeit bei den jüngeren Personen deutlich schneller ab. Eine Ursache dafür könnte sein, dass der Körper zunehmend die Fähigkeit verliert, die Cortisolausschüttung zu regulieren. Passend dazu konnte gezeigt werden, dass die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse bei älteren Personen dauerhaft aktiviert ist. Diese ist in die Ausschüttung von Glucocorticoiden, u.a. Cortisol, involviert. Gleichzeitig sinken mit steigendem Alter Muskelmasse und Testosteronspiegel, was die zerstörerische Wirkung des Cortisols verstärkt (Sie erinnern sich an die besondere Bedeutung des Cortisol-Testosteron-Verhältnisses).
Umgekehrt lässt uns Stress schneller altern, und zwar zuerst auf der Zellebene: Durch chronischen Stress reduziert sich die Länge der Telomere der DNA, ein Zeichen für die Zell-alterung. Passiert dies in Zellen des Immunsystems, wird dann auch der Alterung des Körpers durch verschiedene Prozesse, wie sie in diesem Buch beschrieben werden, Vorschub geleistet.